Das Zeitliche segnen: Voller Hoffnung leben. In Frieden sterben. (German Edition) by Margot Käßmann

Das Zeitliche segnen: Voller Hoffnung leben. In Frieden sterben. (German Edition) by Margot Käßmann

Autor:Margot Käßmann [Käßmann, Margot]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: adeo Verlag
veröffentlicht: 2014-09-24T22:00:00+00:00


Trauer um ein ungeborenes Kind

Als ich für meine Trauung das Stammbuch meiner Eltern benötigte, fand ich mit Erstaunen den Eintrag eines vierten Kindes. Irgendwie war das in den Familienerzählungen nicht vorgekommen, es war nicht präsent. Erst in den letzten Jahren ist mir das bewusst geworden: Mein Bruder Robert wurde gut ein Jahr vor mir geboren. Er war eine Frühgeburt, lebte nur zwei Tage und verstarb kurz nach einer Nottaufe. Meine Eltern hatten keine Zeit zum Trauern. Arbeit stand an, zwei ältere Kinder waren zu versorgen. Als ich geboren wurde, hatte ich bei den Lehrlingen meines Vaters den Spitznamen „Der kleine Robert“. Ich dachte immer, das beziehe sich auf die dunklen Haare oder dass ich gern in der Werkstatt war. Aber es hatte wohl auch eine tiefere Bedeutung.

Meine Schwester hat mich später auf das „Worldwide Candle Lightning“ aufmerksam gemacht. Jedes Jahr, am zweiten Sonntag im Dezember, werden im Gedenken an alle verstorbenen Kinder Kerzen in die Fenster gestellt. Die Initiative wurde 1996 von verwaisten Eltern in den USA ins Leben gerufen und geht als Organisation auf die „Compassionate Friends“ in England zurück. Ein trauriger Anlass, aber ein schöner Gedanke: für die in der Schwangerschaft oder bei der Geburt verstorbenen Kinder eine Kerze anzünden. Die gemeinsame Erfahrung verbindet so die Eltern, die Angehörigen und es ist tröstlich, den Verlust mit anderen zu teilen. Als meine Mutter davon hörte, hat sie meine Schwester gebeten, ebenfalls eine Kerze für meinen Bruder zu entzünden. 1957 war noch nicht die gesellschaftliche Sensibilität vorhanden, den Verlust wahrzunehmen. Aber am Ende ihres Lebens konnte meine Mutter dem Raum geben.

Wie viele Frauen – und Männer! – hatten wohl nie Zeit zum Trauern? In Zeiten von Krieg und Not, in Zeiten von Sprachlosigkeit und Schock ging es schnell wieder zur Tagesordnung über. Heute ist deutlich, wie sehr ein abgetriebenes, ein in der Schwangerschaft verlorenes, ein totgeborenes Kind die Eltern und möglichen Geschwister nachhaltig belastet. Vor allem das Ignorieren legt sich schwer auf die Seele, kommt manches Mal erst am Ende des Lebens wieder zum Vorschein. Es ist gut, dass heute in unserem Land viel eher darüber gesprochen werden kann! Und es ist gut, wenn ältere Menschen über diesen Verlust am Ende doch noch sprechen können.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.